Drohende Einschränkungen auf EU-Ebene: Pflanzliche Fleischalternativen sollen keine Fleischbezeichnungen mehr tragen dürfen

In Brüssel wird erneut über ein Verbot gängiger Begriffe für pflanzliche Fleischalternativen diskutiert.

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17. September 2025

In Brüssel wird erneut über ein Verbot gängiger Begriffe für pflanzliche Fleischalternativen diskutiert. Vorschläge, die vor fünf Jahren schon einmal vom Tisch waren, sind zurück und sorgen diesmal gleich in zwei Verfahren für Verwirrung. Sowohl von der Europäischen Kommission als auch vom Agrarausschuss des Europäischen Parlaments wurden Entwürfe vorgelegt, die Unternehmen in allen 27 Mitgliedstaaten die Nutzung vertrauter Bezeichnungen wie „Fleisch“, „Hühnchen“, „Burger“ oder „Wurst“ untersagen würden. Sinnvoll wäre, wenn die Politik dabei mit Augenmaß vorgeht. Solche Verbote würden Verbraucherinnen und Verbraucher nicht schützen, sondern eher verunsichern und zugleich ein wachsendes Marktsegment im Wettbewerb benachteiligen.

Was passiert in Brüssel?

Bereits 2020 hatte das Europäische Parlament über ähnliche Maßnahmen beraten. Damals wurde das als „Veggie-Burger-Verbot“ bekannt gewordene Vorhaben schließlich abgelehnt, auch dank breiter öffentlicher Aufmerksamkeit. Internationale und deutsche Medien berichteten darüber, dass Bezeichnungen wie „Steak“, „Burger“ und „Wurst“ weiterhin für pflanzliche Produkte verwendet werden dürfen.

Nun stehen gleich zwei neue Vorschläge auf der Agenda, die beide erneut auf ein Verbot etablierter, alltagsnaher Begriffe abzielen. Die Europäische Kommission legte im Juli 2025 im Rahmen der turnusmäßigen Reform der Gemeinsamen Marktorganisation (GMO) einen Entwurf vor. Diese Überarbeitung findet alle sieben Jahre statt und regelt, wie Agrarprodukte in der EU vermarktet werden dürfen. Der Plan sieht vor, 29 Bezeichnungen für pflanzliches Fleisch zu verbieten, darunter „Rindfleisch“, „Hühnchen“, „Speck“, „Brust“, „Flügel“ und „Keule“. Das Inkrafttreten wäre frühestens 2028 zu erwarten.

Unabhängig davon brachte die französische Abgeordnete Céline Imart im Frühjahr 2025 einen Änderungsantrag in den Agrarausschuss des Europäischen Parlaments ein. Er wurde Anfang September 2025 von den Mitgliedern des Ausschusses mehrheitlich angenommen und reicht noch weiter. Vorgesehen ist ein umfassendes Verbot sämtlicher Begriffe, die sich auf bestimmte Tierarten, Fleischstücke oder selbst auf typische Formen von tierischen Fleischprodukten beziehen. Damit wären auch Bezeichnungen wie „Steak“, „Schnitzel“ oder „Hamburger“ für pflanzliche Produkte nicht erlaubt. Zudem soll Produzenten pflanzlicher Eialternativen die Verwendung von Begriffen wie „Eigelb“ oder „Eiweiß“ untersagt werden. Einschränkungen würden auch für kultiviertes Fleisch gelten, obwohl dieses noch gar nicht auf dem Markt ist.

Der Vorschlag von Imart geht nun in die Plenarabstimmung des Europäischen Parlaments im Oktober. Danach treten Kommission, Parlament und Rat in Verhandlungen ein, um sich auf einen gemeinsamen Text zu einigen.

Details zum weiteren Verfahren sind unklar

Während im Parlament über den Vorschlag von Céline Imart diskutiert wird, bleibt zugleich der ursprüngliche Entwurf der Kommission auf dem Tisch. Er soll in den Jahren 2026 und 2027 im Rahmen der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) verhandelt werden.

Damit laufen derzeit zwei parallele Verfahren, die beide auf Änderungen derselben Regeln zielen, jedoch über unterschiedliche Prozesse geführt werden. Welche Auswirkungen es hätte, wenn nur einer der beiden Entwürfe beschlossen würde, ist bisher offen. Ebenso ist unklar, was mit dem Kommissionsvorschlag passiert, falls die gezielte Revision des Parlaments Rechtskraft erlangt.

Eines ist jedoch bereits heute klar: Beide Vorschläge sind unnötig und laufen wichtigen Zielen der Europäischen Union und der Mitgliedstaaten zuwider. Sie würden sowohl Verbraucherinnen und Verbraucher verunsichern als auch die europäische Wirtschaft belasten, und zwar sowohl innovative Startups als auch etablierte Mittelständler und landwirtschaftliche Betriebe, die ihr Geschäft diversifizieren wollen. Angesichts der tatsächlichen Herausforderungen für das Ernährungssystem Europas, von gravierenden Klimafolgen bis zu Instabilitäten im Welthandel, wirkt es befremdlich, dass so viel politische Energie auf solche Themen verwendet wird.

Vertraute Bezeichnungen helfen den Verbraucherinnen und Verbrauchern

Die Europäische Kommission argumentiert, ihre geplanten Einschränkungen würden die Transparenz für Verbraucherinnen und Verbraucher erhöhen, die historische und kulturelle Bedeutung von Fleischprodukten bewahren und Klarheit schaffen für alle, die gezielt das spezifische Nährwertprofil von Fleisch suchen.

Umfragen zeichnen jedoch ein anderes Bild. Die große Mehrheit der Europäerinnen und Europäer spricht sich deutlich dafür aus, dass dieselben oder ähnliche Bezeichnungen für pflanzliches und tierisches Fleisch weiterhin verwendet werden dürfen. Diese vertraute Sprache erleichtert es im Alltag, Produkte nach Geschmack, Konsistenz und Zubereitungsweise richtig einzuordnen. Neue und willkürliche Beschränkungen traditionsreicher Kennzeichnungspraktiken stünden damit im Widerspruch sowohl zum alltäglichen Sprachgebrauch als auch zu den Regeln, die seit 2024 in Deutschland gelten. Die Deutsche Lebensmittelbuch-Kommission hat in ihren Leitsätzen im letzten Jahr festgelegt, wie pflanzliche Fleischalternativen zu bezeichnen sind. Diese Regeln stellen einen ausgewogenen Kompromiss dar, der Verbraucherinteressen und Rechtssicherheit für Unternehmen gleichermaßen berücksichtigt. Neue EU-Restriktionen würden diesen mühsam ausgehandelten Rahmen konterkarieren.

Belastung für die heimische Wirtschaft

Die Europäische Union hat sich verpflichtet, Bürokratie abzubauen und Unternehmen zu entlasten. Neue Kennzeichnungsauflagen, die für innovative Unternehmen erhebliche Zusatzkosten verursachen würden, widersprechen diesem Ziel. Solche Vorgaben bedeuten, dass bestehende Verpackungen vernichtet und Markenauftritte neu gestaltet werden müssen. Zugleich könnten sie internationale Unternehmen davon abhalten, den europäischen Markt zu betreten.

Dabei gehört der Bereich pflanzlicher Lebensmittel zu den innovativsten und am schnellsten wachsenden Segmenten der europäischen Ernährungswirtschaft. Absatzsteigerungen sind nicht nur in Deutschland, sondern auch in Frankreich, Italien und Spanien zu verzeichnen. Eine Analyse von Systemiq schätzt das Potenzial alternativer Proteine in Deutschland langfristig auf bis zu 65 Milliarden Euro Bruttowertschöpfung und bis zu 250.000 zusätzliche Arbeitsplätze, wenn der Sektor hinreichende politische Unterstützung erfährt. Für die Landwirtschaft eröffnet sich die Chance, heimische Eiweißpflanzen wie Hülsenfrüchte verstärkt anzubauen. Darüber hinaus belegen immer mehr Studien, dass pflanzliches Fleisch gesundheitliche Vorteile bietet. Es ist eine unkomplizierte und schmackhafte Möglichkeit, den derzeit hohen Konsum stark verarbeiteter Fleischprodukte zu verringern.

Klare Positionierung aus Deutschland erforderlich

Die Regierungskoalition in Deutschland hat sich im Koalitionsvertrag darauf verständigt, die Entwicklung und Markteinführung nachhaltiger alternativer Proteine zu fördern. Zudem unterstreicht ein aktuelles Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz (WBAE) beim Bundeslandwirtschaftsministerium die Bedeutung pflanzlicher Fleischalternativen und spricht sich explizit für klare, verbraucherfreundliche Bezeichnungen aus. . Die aktuell in Brüssel diskutierten Einschränkungen der Bezeichnungspraxis stehen im Widerspruch dazu und sollten daher sowohl von der deutschen  Bundesregierung als auch von den Abgeordneten im Europäischen Parlament zurückgewiesen werden.Anstatt Zeit und Energie in ein Verbot zu investieren, das Verbraucherinnen und Verbraucher klar ablehnen, sollte die Politik Rahmenbedingungen schaffen, die gleiche Wettbewerbschance für pflanzliche Alternativen gewährleisten und so zu einem gesünderen und nachhaltigeren Ernährungssystem beitragen. In unserem Positionspapier haben wir die Argumente ausführlich dargelegt und mit Daten aus Deutschland und Europa unterlegt.