Kultiviertes Fleisch
Wissenswertes zu Forschung, Marktlage und politischen Rahmenbedingungen im Bereich kultiviertes Fleisch.

Was versteht man unter kultiviertem Fleisch?
Kultiviertes Fleisch ist identisch mit dem Rind-, Schweine- und Hühnerfleisch, das die Menschen heute essen - allerdings wird das Fleisch dabei direkt aus tierischen Zellen kultiviert, statt Tiere dafür zu halten und zu schlachten.
Wofür braucht es kultiviertes Fleisch?
Im Vergleich zur Tierhaltung benötigt kultiviertes Fleisch deutlich weniger Ressourcen. Das bietet die Chance, unsere Treibhausgasemissionen, die Abholzung von Wäldern, das Artensterben, den Wasserverbrauch und die Wasserverschmutzung sowie das Auftreten von multiresistenten Keimen und lebensmittelbedingten Krankheiten zu verringern.
Eine kürzlich von CE Delft durchgeführte Studie – die erste Studie überhaupt, die sich auf empirische Daten von Unternehmen für kultiviertes Fleisch stützt – kommt zu dem Ergebnis, dass die Kultivierung von Fleisch aus Zellen gegenüber der Tierhaltung deutliche ökologische Vorteile hat:
- Bis zu 92 % weniger Treibhausgasemissionen.
- Bis zu 93 % weniger Luftverschmutzung.
- Bis zu 95 % weniger Flächenbedarf.
- Bis zu 78 % weniger Wasserverbrauch.
Dabei handelt es sich um eine konservative Schätzung, denn für die Gegenüberstellung wird mit einem ambitionierten Szenario gearbeitet, in dem es der Tierhaltung gelingt, den CO2-Fußabdruck von Fleisch bis 2030 um 15 % (Rindfleisch), 26 % (Schweinefleisch) und 53 % (Hühnerfleisch) zu verringern. Vergleicht man den Ressourcenverbrauch hingegen nicht mit diesem ambitionierten Szenario, sondern mit den derzeitigen Werten, dann fallen die Vorteile von kultiviertem Fleisch noch viel deutlicher aus.
Hinzu kommt: Wenn die frei werdenden Flächen für Renaturierung oder für die Bindung von Kohlenstoff genutzt werden, dann können die positiven Effekte für das Weltklima noch deutlich größer sein. Kultiviertes Fleisch wird außerdem in sauberer Umgebung ohne Belastung durch fäkale Krankheitserreger hergestellt, und es werden keine Antibiotika benötigt – so tragen Lebensmittel aus Zellkultivierung dazu bei, das Risiko von lebensmittelbedingten Krankheiten zu verringern, die Wirkung von Antibiotika in der Humanmedizin aufrechtzuerhalten und die Entstehung von neuen zoonotischen Infektionskrankheiten zu verhindern.
Kultiviertes Fleisch wird die Auswahl für Verbraucher:innen erweitern: Die Menschen können dann weiter die Fleischprodukte verzehren, die ihnen vertraut sind – mit dem Unterschied, dass kultiviertes Fleisch nachhaltiger, sicherer und gerechter hergestellt wird.
Wie wird kultiviertes Fleisch hergestellt?
Die Kultivierung von Fleisch lässt sich mit der Zucht von Pflanzen in einem Gewächshaus vergleichen, bei der die Stecklinge mit Wärme, fruchtbarem Boden, Wasser und Nährstoffen versorgt werden. Bei dieser neuen Methode der Fleischherstellung wird der natürliche Prozess des Zellwachstums angeregt, allerdings in einer effizienteren Umgebung.
Bei der zellulären Landwirtschaft wird einem Tier auf schmerzfreie Weise eine kleine Zellprobe entnommen. Aus dieser Probe werden Stammzellen gewonnen, die dann in einem sogenannten Kultivator heranwachsen und sich vermehren. Der Kultivator ermöglicht denselben biologischen Prozess, der im Inneren eines Tieres abläuft. Dabei werden die Zellen mit Wärme und den für die Umwandlung in Fleisch erforderlichen Grundnährstoffen versorgt: Wasser, Proteine, Kohlenhydrate, Fette, Vitamine und Mineralien. Das Ergebnis ist kultiviertes Fleisch, das auf molekularer Ebene mit konventionell erzeugtem Fleisch identisch ist, aber auf eine nachhaltigere Art und Weise hergestellt wurde.
Wann wird kultiviertes Fleisch in Europa erhältlich sein?
Am 2. Dezember 2020 hat Singapur als erster Staat der Welt den Verkauf von kultiviertem Fleisch zugelassen. Dort können die Menschen nun kultiviertes Hühnerfleisch in ausgewählten Restaurants oder über eine Liefer-App bestellen. Vorab hat das Produkt ein strenges Zulassungsverfahren erfolgreich durchlaufen. Die Zulassung in Singapur zeigt, dass kultiviertes Fleisch in der Zukunft Teil eines sicheren und nachhaltigen Ernährungssystems sein wird.
Bevor ein kultiviertes Fleischprodukt in Europa verkauft werden kann, muss es von den Behörden zugelassen werden. Der Zulassungsprozess ist auf der europäischen Ebene angesiedelt. Sobald die zuständigen Behörden ein kultiviertes Fleischprodukt zugelassen haben, kann es in allen 27 EU-Ländern verkauft werden. Das Zulassungsverfahren umfasst eine gründliche und evidenzbasierte Bewertung der Lebensmittelsicherheit und des Nährwerts von kultiviertem Fleisch und wird Schätzungen zufolge mindestens 18 Monate dauern.
Auch in europäischen Ländern außerhalb der EU gilt ein vergleichbarer Regulierungsrahmen für die Zulassung von kultiviertem Fleisch.
GFI Europe arbeitet mit der EU und den nationalen Regierungen zusammen, um sicherzustellen, dass das Zulassungsverfahren für kultiviertes Fleisch zuverlässig, transparent und evidenzbasiert ist.
Wie können wir kultiviertes Fleisch in Europa voranbringen?
Der weltweit erste kultivierte Rindfleisch-Burger wurde 2013 in London vorgestellt. Seitdem haben Start-ups in ganz Europa große Fortschritte bei der Entwicklung von kultiviertem Fleisch gemacht. Allerdings sind auch öffentliche Investitionen erforderlich, um die Fleischproduktion nachhaltig zu verändern und den gesellschaftlichen Nutzen von kultiviertem Fleisch zu maximieren.
Investitionen der öffentlichen Hand in Open-Access-Forschung können grundlegende Herausforderungen der Technologie angehen und das Wachstum des gesamten Sektors voranbringen statt nur ein einzelne Unternehmen zu fördern. Regierungen, die eine nachhaltige Lebensmittelversorgung sicherstellen wollen, sollten in die Open-Access-Forschung zu kultiviertem Fleisch investieren - genauso wie sie die Forschung und Entwicklung im Bereich der erneuerbaren Energien finanzieren.
Untersuchungen von CE Delft zeigen, dass die Produktionskosten für kultiviertes Fleisch bis 2030 auf 5,73 € pro kg sinken könnten. Um dies zu erreichen, müssen sowohl der öffentliche als auch der private Sektor beträchtliche Summen in Forschung und Entwicklung investieren. Laut der Studie sind die wichtigsten Stellschrauben für den Erfolg von kultiviertem Fleisch die Verbesserung des Geschmacks, die Senkung der Produktionskosten und die Errichtung von wichtiger Infrastruktur.
Untersuchungen von GFI Europe legen nahe, dass auch die Skalierung der Produktion, die Optimierung des Nährmediums und die Aufklärung der Verbraucher:innen von entscheidender Bedeutung sein werden.
Warum der Begriff kultiviertes Fleisch?
Für aus Zellen gewonnenes Fleisch werden viele Begriffe verwendet – von „In-vitro-Fleisch“ über „Clean Meat“ bis hin zu „Laborfleisch“. Dabei ist der Begriff „Laborfleisch” besonders irreführend. In industriellem Maßstab wird kultiviertes Fleisch in Kultivatoren hergestellt, in einer Anlage, die einer Brauerei ähnelt. Viele Arten von Lebensmitteln, werden zunächst in Laboren entwickelt und regelmäßig überprüft. Niemand käme deshalb auf die Idee, zum Beispiel Cornflakes als „Labor-Cornflakes“ zu bezeichnen.
Die Kultivierung von Fleisch ist vergleichbar mit der Kultivierung von Pflanzen in einem Gewächshaus. Dabei wächst das Fleisch in einem Kultivator heran - in einem Bioreaktor, der denselben biologischen Prozess ermöglicht, der im Inneren eines Tieres abläuft. Der Kultivator stellt Wärme und die für den Muskelaufbau erforderlichen Grundelemente bereit: Wasser, Proteine, Kohlenhydrate, Fette, Vitamine und Mineralien.
Damit wir das große Potenzial von kultiviertem Fleisch für die Überwindung der Klimakrise, den Erhalt der Artenvielfalt, den Schutz der öffentlichen Gesundheit und die Bekämpfung des Welthungers nutzen können, braucht es Akzeptanz bei den Verbraucher:innen. Daher hat GFI im Jahr 2019 ein umfangreiches Forschungsprojekt durchgeführt um einen neutralen, verständlichen und für Verbraucher:innen ansprechenden Begriff zu identifizieren. In dem Projekt hat sich der Begriff „kultiviertes Fleisch“ als am besten geeignet herauskristallisiert und wird seitdem von GFI verwendet.

Forschung zu kultiviertem Fleisches
Erfahren Sie mehr über die Technologie, die hinter kultiviertem Fleisch steckt - und darüber, wie weitere Forschung dazu beitragen kann, den Übergang zu einem nachhaltigen, sicheren und gerechten Ernährungssystem zu beschleunigen.
Der Markt für kultiviertes Fleisch
Der europäische Wirtschaftsbereich für kultiviertes Fleisch entwickelt sich rasant. Unternehmen produzieren alle möglichen Sorten von Fleisch mithilfe von Zellkultivierung - von Rindfleisch-Burgern, über Fisch bis hin zu Foie Gras.
Im Jahr 2021 haben europäische Unternehmen, die kultiviertes Fleisch produzieren, Investitionen von mindestens 123 Millionen Euro angezogen. Das ist fast das Dreifache der 44 Millionen Euro, die im Jahr 2020 eingeworben werden konnten.


Politische Rahmenbedingungen
Damit kultiviertes Fleisch sein Potenzial zur Bewältigung der Klimakrise, zum Schutz der öffentlichen Gesundheit und zur Verbesserung der Ernährungssicherheit entfalten kann, braucht es Unterstützung aus der Politik.
GFI Europe setzt sich für öffentliche Investitionen im Bereich der zellulären Landwirtschaft, für eine evidenzbasierte Regulierung, und für faire und transparente Vorschriften zur Produktkennzeichnung ein, ein, damit Verbraucher:innen Zugang zu diesen nachhaltigen Produkten bekommen und informierte Kaufentscheidungen treffen können.