Investitionen in alternative Proteine ziehen in Europa wieder an, allerdings braucht es auch neue Finanzierungsmodelle 

Die neuesten Zahlen zur Investitionstätigkeit im Bereich alternative Proteine zeigen, dass Hersteller von Fleisch-, Fisch-, Ei- und Milchprodukten auf Basis von Pflanzen, Zellkultivierung und Fermentation in Europa im Jahr 2024 fast 470 Millionen Euro einwerben konnten – ein Anstieg von 23 % gegenüber dem Vorjahr.

30 April 2025

Die neuesten Zahlen zur Investitionstätigkeit im Bereich alternative Proteine zeigen, dass Hersteller von Fleisch-, Fisch-, Ei- und Milchprodukten auf Basis von Pflanzen, Zellkultivierung und Fermentation in Europa im Jahr 2024 fast 470 Millionen Euro einwerben konnten – ein Anstieg von 23 % gegenüber dem Vorjahr.

In Deutschland betrugen die Investitionen im Bereich alternative Proteine im letzten Jahr 134 Millionen Euro. Das ist der mit Abstand größte Betrag, der in Deutschland in dem Bereich bislang in einem Jahr investiert wurde, und gegenüber dem schwachen 2023 (27 Millionen Euro) das Fünffache. Damit lag der Anteil von deutschen Unternehmen an Investitionen in Europa im Jahr 2024 bei 28 %. 

Zusätzlich zu privaten Investitionen erhielten europäische Unternehmen im Bereich alternative Proteine 63 Millionen Euro durch Zuschüsse von öffentlichen Einrichtungen – ein Anstieg von 137 % gegenüber dem Vorjahr. Hieran lässt sich eine bedeutende Entwicklung ablesen: Die Politik erkennt zunehmend, welche Rolle die Diversifizierung der Proteinversorgung für die Ernährungssicherheit spielen kann. 

Gleichzeitig beginnen Startups, sich vom Finanzierungsmodell Risikokapital zu lösen, auf das sich die rasante Expansion des Sektors zu Beginn dieses Jahrzehnts gestützt hat. Um diese Dynamik aufrechtzuerhalten, müssen Unternehmen im Bereich alternative Proteine neue und innovative Finanzierungsquellen aktiv erschließen, und die Politik sollte dafür Sorge tragen, dass solche Optionen zur Verfügung stehen.

Fermentation auf dem Vormarsch

Die von GFI analysierten Daten von Net Zero Insights (NZI), die in unsere aktuellen „State Of The Industry“-Reports eingeflossen sind, zeigen, dass Unternehmen, die tierfreie Lebensmittel und Zutaten mithilfe innovativer Fermentationsverfahren entwickeln, im vergangenen Jahr erneut Rekordinvestitionen angezogen haben.

Unternehmen, die sich mit Präzisionsfermentation befassen, bei der Organismen wie Hefe verwendet werden, um Zutaten zu entwickeln, die pflanzenbasierten Produkten den vertrauten Geschmack und die Textur von Lebensmitteln wie Fleisch, Eiern und Käse verleihen, sammelten 2024 rund 120 Millionen Euro von Investoren ein – mehr als dreimal so viel wie im Vorjahr. 

Europäische Unternehmen im Bereich der Biomassefermentation, die in einem Verfahren ähnlich der Bier- oder Joghurtproduktion große Mengen an Protein (zum Beispiel Mykoprotein aus Pilzen) herstellen, warben 119 Millionen Euro ein, was einem Anstieg von 10 % entspricht.

Fermentation kann durch die Umwandlung landwirtschaftlicher Nebenströme in nahrhafte Lebensmittel zum Aufbau einer Kreislaufwirtschaft beitragen. In diesem Sinne ist es ein positives Signal, dass viele der größten Investitionen des letzten Jahres in diesen Sektor von großen öffentlichen Förderinstitutionen kamen.

Der Europäische Innovationsrat (EIC), der im Rahmen des EU-Programms „Horizon Europe“ eingerichtet wurde, unterstützte eine Finanzierungsrunde in Höhe von 54 Millionen Euro, damit das deutsche Unternehmen Infinite Roots seine Produktionskapazitäten ausbauen und die Markteinführung vorbereiten kann. 

Das Interesse scheint auch 2025 nicht abzureißen: Anfang des Jahres gab das deutsche Unternehmen Formo bekannt, dass es von der Europäischen Investitionsbank einen Kredit in Höhe von 35 Millionen Euro erhalten hat. Bereits 2024 konnte Formo, das sich auf die Produktion von tierfreiem Käse spezialisiert hat, in seiner Series B Runde über 56 Millionen Euro an Investitionen anziehen. 

Auch die beiden deutschen Startups Protein Distillery und Pacifico Biolabs konnten in 2024 jeweils 15 Millionen Euro und 3,1 Millionen Euro einwerben. Betrachtet man die Investitionen von 2015-2024 in Unternehmen im Bereich Fermentation, liegt Deutschland weltweit nunmehr auf Platz drei.

Verhaltenes Wachstum im Plantbased-Bereich 

2023 schien ein außergewöhnlich starkes Jahr für Investitionen in den europäischen Markt für pflanzenbasierte Lebensmittel zu sein, was vor allem auf hohe Investitionen in börsennotierte Unternehmen zurückzuführen war. Am auffälligsten war dabei der schwedische Hersteller pflanzlicher Milchprodukte Oatly, der in zwei großen Deals 391 Millionen Euro einwarb.

Vor diesem Hintergrund könnte der falsche Eindruck entstehen, dass der gesamte Sektor im Jahr 2024 einen Rückgang verzeichnet hätte. Wenn man jedoch diese Ausreißer ausklammert und sich auf nicht börsennotierte Unternehmen konzentriert, die den größten Teil des pflanzenbasierten Ökosystems ausmachen, stiegen die europäischen Investitionen um 37 % auf 167 Millionen Euro.

Das spanische Unternehmen Heura erhielt 40 Millionen Euro für die Entwicklung von Produkten, die den Erwartungen der Verbraucherinnen und Verbraucher in Bezug auf Geschmack und Nährwert besser entsprechen. Das französische Unternehmen La Vie sammelte 25 Millionen Euro für die Verbesserung seines pflanzlichen Schweinefleischs und die Entwicklung neuer Produkte ein, und das britische Unternehmen THIS erhielt 23,5 Millionen Euro für die Erweiterung seiner Produktpalette.

Der Branchenbericht von GFI über den globalen Markt für pflanzenbasierte Produkte hebt hervor, dass Europa der weltweit größte Markt für diese Lebensmittel ist. Daten von Euromonitor deuten darauf hin, dass der Einzelhandelsumsatz in Europa mit pflanzlichem Fleisch, Fisch, Milch, Joghurt und Eiscreme im Jahr 2024 einen Wert von 8,9 Milliarden Euro erreichen haben wird.

Unternehmen für kultiviertes Fleisch skalieren die Produktion

Investitionen in europäische Unternehmen, die kultivierte Fleischprodukte- und zutaten entwickeln, sind insgesamt um 59 % auf 48 Millionen Euro zurückgegangen. Auch hier war 2023 von einigen größeren Finanzierungsrunden geprägt, die wir 2024 nicht gesehen haben.

Viele der Unternehmen, die im vergangenen Jahr große Finanzierungsrunden absolvierten, konzentrierten sich auf die Vorbereitung des Markteintritts, darunter das niederländische Unternehmen Mosa Meat, das 40 Millionen Euro einwarb. Die PHW-Group mit Sitz in Niedersachsen war in dieser Finanzierungsrunde einer der Hauptinvstoren. Meatable erhielt 7,6 Millionen Euro von der Netherlands Enterprise Agency. 

Das Hamburger Startup BLUU Seafood, das an kultiviertem Fisch arbeitet, hat im Frühjahr 2024 seine Pilotanlage in Hamburg in Betrieb genommen. Auch das deutsche Startup Innocent Meat aus Mecklenburg-Vorpommern konnte in 2024 3 Millionen Euro einwerben.

Es ist ein positives Signal, dass sich bei den jüngsten Investitionen in alternative Proteine ein starker Trend in Richtung Skalierung der Produktion und Kommerzialisierung abzeichnet. Damit der europäische Sektor jedoch sein volles Potenzial ausschöpfen kann, muss er seine Finanzierungsquellen diversifizieren. 

Neue Finanzierungsmechanismen für die Kommerzialisierung erforderlich

Europa verfügt gegenwärtig nicht über die erforderliche Infrastruktur, um die Produktion alternativer Proteine hinreichend auszuweiten, und der Bau einer neuen Demonstrations- oder kommerziellen Produktionsanlage kann zwischen 15 und 250 Millionen Euro kosten – für Startups sind das Summen, die kaum durch Risikokapital zu finanzieren sind.

Um die Vorteile der Proteindiversifizierung auszuschöpfen, sollten Politik und philanthropische Organisationen neue Finanzierungsmechanismen zur Verfügung stellen, um das Ökosystem in Europa zu unterstützen und private Innovationen in diesem Bereich zu katalysieren.

Zu diesen Maßnahmen gehören gemischte Finanzierungsmodelle wie Bürgschaften, Zuschüsse, vergünstigte Darlehen und Leasingvereinbarungen. Öffentliche Einrichtungen können auch durch öffentliche Beschaffungsmaßnahmen unterstützen, um die Akzeptanz pflanzenbasierter Lebensmittel zu erhöhen. Sie können Lebensmittelinnovationen in sogenannte Carbon Credit Systems aufnehmen und durch die Förderung verwandter Branchen, wie etwa der industriellen Produktion von Fermentern, zur Kostensenkung beitragen.

Maßnahmen wie diese können dazu beitragen, das Vertrauen in den Sektor zu stärken, mehr private Investitionen anzuziehen und diese nachhaltigen Lebensmittel für europäische Verbraucherinnen und Verbraucher erschwinglich zu machen. So könnten die Ernährungssicherheit verbessert, klimaschädliche Emissionen verringert und eine nachhaltigere Landwirtschaft gefördert werden.

Mehr Informationen zu unserer Methodik zur Analyse von Investitionen in Unternehmen im Bereich alternative Proteine finden Sie hier.

Alle Umrechnungen von Dollar in Euro wurden zum durchschnittlichen Wechselkurs von 0,9243 im Jahr 2024 vorgenommen.

Helene Grosshans

Infrastructure Investment Manager

Helene arbeitet daran, mehr Kapital für die Finanzierung von Infrastrukturprojekten im Bereich alternative Proteine zu mobilisieren.