Biotech Act: EU-Kommission verbessert Beratung im Novel-Food-Verfahren aber verpasst eine wichtige Chance
GFI Europe begrüßt die Pläne im Entwurf des Biotech Acts, das Beratungsangebot der Behörden für antragstellende Unternehmen im Novel-Food-Zulassungsverfahren auszuweiten, kritisiert jedoch die Entscheidung, neuartige Lebensmittel von „Regulatory Sandboxes“ auszuschließen.
16. Dezember 2025

Der gemeinnützige Thinktank Good Food Institute Europe (GFI Europe) begrüßt die Pläne im Entwurf des Biotech Acts, das Beratungsangebot der Behörden für antragstellende Unternehmen im Novel-Food-Zulassungsverfahren auszuweiten. Gleichzeitig kritisiert GFI Europe die Entscheidung der Europäischen Kommission, neuartige Lebensmittel aus einem Vorschlag zur Einrichtung von „Regulatory Sandboxes“ auszuschließen, als verpasste Chance für den Innovationsstandort Europa.
Der Biotech Act zielt darauf ab, die globale Wettbewerbsfähigkeit der EU im Bereich der Biotechnologie zu stärken. Das Vorhaben ist stark auf den Gesundheitssektor ausgerichtet, enthält jedoch auch Maßnahmen, die dazu beitragen können, Ergebnisse von Forschenden aus Europa in den Markt zu bringen, die an innovativen und nachhaltigen Verfahren wie der Präzisionsfermentation arbeiten. Dieses Verfahren wird seit Jahrzehnten zur Herstellung von Zutaten wie Lab für die Käseproduktion eingesetzt und findet nun zunehmend Anwendung bei der Herstellung von Lebensmitteln – von tierfreien Milchproteinen bis hin zu nachhaltigem Palmöl.
Unternehmen, die neuartige, mithilfe von Präzisionsfermentation hergestellte Lebensmittel in der EU vertreiben wollen, müssen einen Zulassungsantrag bei der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) einreichen. Diese führt eine umfassende, evidenzbasierte Bewertung der Lebensmittelsicherheit und des Nährwerts durch, bevor die Produkte in allen 27 Mitgliedstaaten verkauft werden dürfen.
Der Entwurf des Biotech Acts sieht vor, dass die EFSA die Leitlinien ausweitet, die sie Unternehmen für die Verfassung von Anträgen zur Verfügung stellt. Demnach sollen Startups künftig bereits vor der Einreichung der Zulassungsanträge von den Regulierungsbehörden zu den technischen und wissenschaftlichen Informationen beraten werden, die in den Unterlagen enthalten sein müssen. Zudem soll mit dem Biotech sichergestellt werden, dass diese Beratungsfunktion vor der Antragstellung ausreichend mit Personal bei der EFSA hinterlegt ist.
Diese Maßnahme kann die Innovationskraft Europas unterstützen, indem sie das Antragsverfahren transparenter gestaltet und langwierige Genehmigungsverzögerungen verhindert. Denn diese lassen sich unter anderem darauf zurückführen, dass europäischen Startups häufig die nötige Klarheit darüber fehlt, welche Daten im Zulassungsverfahren erforderlich sind.
Gleichzeitig hat die Kommission neuartige Lebensmittel vom Vorhaben ausgenommen, eine Reihe von Regulatory Sandboxes im Bereich der Biotechnologie einzurichten – mit der Begründung, sie könnten „ethische oder kulturelle Bedenken bei verschiedenen Verbrauchergruppen hinsichtlich ihrer Akzeptanz auslösen“. Regulatory Sandboxes sind kontrollierte und zeitlich begrenzte Umgebungen, in denen Expertinnen und Experten Standards für neue Produkte entwickeln können.
GFI Europe hingegen fordert, solche Sandboxes in allen relevanten Bereichen für Lebensmittel und Futtermittel einzuführen – einschließlich neuartiger Lebensmittel. Untersuchungen von GFI Europe in Zusammenarbeit mit Accenture zeigen, dass etwa die Hälfte der Verbraucherinnen und Verbraucher in Frankreich, Deutschland und Spanien bereit wäre, Milch- und Eiprodukte aus Präzisionsfermentation zu probieren. Rund ein Fünftel der Befragten sagt heute schon, dass sie diese Produkte auch regelmäßig in ihre Ernährung aufnehmen würden. Untersuchungen der Universität Göttingen kommen im Fall von mit Präzisionsfermentation hergestelltem Käse zu ähnlichen Ergebnissen.
GFI Europe setzt nun darauf, dass die Möglichkeiten des deutschen Reallabore-Gesetzes auf nationaler Ebene genutzt werden, um mit einer entsprechenden Experimentierklausel das Thema der neuartigen Lebensmittel anzugehen.
Über den vorliegenden Entwurf hinausgehend fordert GFI Europe die Kommission auf, im Rahmen des Biotech Act II – dessen Veröffentlichung für Ende 2026 erwartet wird – neue Finanzierungsinstrumente für Lebensmittelunternehmen im Bereich der Biotechnologie vorzuschlagen. Diese könnten auf den Plänen zur Einrichtung von Pilotanlagen im Gesundheitsbereich zur Unterstützung der Skalierung aufbauen. Dies würde Probleme adressieren, die dadurch entstehen, dass es bislang an großskaligen Anlagen im Bereich der Fermentation mangelt, die für die Skalierung der Produktion notwendig sind.
Ivo Rzegotta, Leiter DACH beim Good Food Institute Europe: „Die Verbesserung der Beratung von Unternehmen im Rahmen des Zulassungsprozesses für neuartige Lebensmittel ist ein wichtiger Schritt, um die Innovationskraft im Lebensmittelbereich mit den weltweit anspruchsvollsten Standards für die Lebensmittelsicherheit in Einklang zu bringen. Dadurch kann der Biotech Act nachhaltiges Wachstum fördern, Europas Importabhängigkeit verringern und die Wettbewerbsfähigkeit des Kontinents stärken. Die Entscheidung der Kommission, neuartige Lebensmittel von der Einführung von Regulatory Sandboxes auszuschließen, ist hingegen enttäuschend. Hier wurde eine Chance verpasst, eine evidenzbasierte Regulierung voranzubringen und zugleich einen Raum für offenen Dialog mit Verbraucherinnen und Verbrauchern zu schaffen. Wir setzen darauf, dass Deutschland nun die Möglichkeiten des Reallabore-Gesetzes nutzt, um diese Lücke zu schließen, so wie es in den Niederlanden bereits erfolgreich umgesetzt wird.”