Meet the researcher: Wissenslücken zu pflanzlichen Proteinen füllen mit Ute Weisz
Eine Wissenschaftlerin, die neue Wege erforscht, um zu wenig genutzte Nutzpflanzen in schmackhafte und nahrhafte Produkte zu verwandeln, sagt, dass noch viel mehr Arbeit nötig ist, um das Potenzial dieser Lebensmittel auszuschöpfen.
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Name: Ute Weisz
Funktion: Professorin für Plant Proteins & Nutrition
Organisation: Technische Universität München
Spezialisierung im Bereich alternative Proteine: Pflanzenbasiert
Eine Wissenschaftlerin, die neue Wege erforscht, um zu wenig genutzte Nutzpflanzen in schmackhafte und nahrhafte Produkte zu verwandeln, sagt, dass noch viel mehr Arbeit nötig ist, um das Potenzial dieser Lebensmittel auszuschöpfen.
Professorin Ute Weisz forscht an der Technischen Universität München an der Verarbeitung von Rohstoffen wie Hülsenfrüchte und Ölsaaten für die Entwicklung maßgeschneiderter funktionaler Lebensmittelzutaten.
Ihre Arbeit umfasst ein weites Spektrum, von der Proteinzusammensetzung verschiedener Nutzpflanzen bis hin zu der Frage, wie die Verdaulichkeit dieser Nutzpflanzen durch die Reduktion sogenannter Antinährstoffe – natürlich vorkommender Verbindungen, die Pflanzen vor Fressfeinden schützen, beim Menschen allerdings eine antinutritive Wirkung haben können – verbessert werden kann.
Sie erklärt, dass jeder Verarbeitungsschritt auf dem Weg vom Feld auf den Teller einen entscheidenden Einfluss auf die Eigenschaften eines Endproduktes hat, zum Beispiel auf seinen Geschmack und seine Textur. Da müsse der noch junge Sektor für Pflanzenproteine noch aufholen: Während die Wissenschaft von Milch und Fleisch bereits seit Jahrzehnten erforscht werde, stünde die Entschlüsselung der Mechanismen in Eiweißpflanzen noch ganz am Anfang.
Die Professorin bringt eine lange Karriere in der Lebensmitteltechnologie mit in den Sektor. Nachdem sie ihre Doktorwürde an der Universität Hohenheim erhalten hatte, wechselte sie an das Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung (IVV) um, wo sie erste Forschungsarbeiten zur Extraktion von Proteinen aus Lupinen durchführte – einer Hülsenfrucht, die im Mittelmeerraum weit verbreitet ist.
Als in den späten 2010er Jahren pflanzenbasierte Fleischprodukte auf den deutschen Markt kamen, nutzte sie ihr umfangreiches Wissen und half bei der Gründung von fünf Unternehmen, darunter Endori, ein Unternehmen für pflanzliches Fleisch und Meeresfrüchte, und Neggst, ein Startup für pflanzliche Eier. Dann kehrte sie an der TU München in die universitäre Wissenschaft zurück.
Chancen für Landwirt:innen
Als Professorin für pflanzliche Proteine und Ernährung konzentriert sich ihre Forschung auf das Potenzial von wenig genutzten Pflanzen wie Mungobohnen. Diese Arbeit wird von entscheidender Bedeutung sein, da bisher nur wenige pflanzliche Proteinquellen weltweit gründlich erforscht wurden. Ute hofft, dass neues Wissen über vielversprechende Eiweißpflanzen Landwirt:innen neue Möglichkeiten eröffnen könnte.
„Landwirt:innen brauchen Gewissheit, wenn sie auf den Anbau von Eiweißpflanzen umsteigen wollen“, sagt sie. „Wir haben die Gelegenheit, das Potenzial von Eiweißpflanzen zu demonstrieren und mit den Landwirt:innen ins Gespräch zu kommen, damit sie ihren Wert erkennen.”
Nutzhanf sei eine weitere Kulturpflanze, deren Potenzial noch nicht ausgeschöpft sei, sagt sie. Der Anbau von Nutzhanf, der fast kein THC (die psychoaktive Verbindung in Cannabis) enthält, ist in Deutschland seit mehreren Jahrzehnten legal. Dennoch werde die Pflanze immer noch nur in relativ kleinen Mengen angebaut, hauptsächlich wegen der Stängel, die zur Herstellung von Seilen verwendet werden.
Ute erforscht die Eiweißgewinnung aus den Samen des Nutzhanfs – einer Pflanze, die sich sehr gut unter den wärmeren und feuchteren Bedingungen anbauen lässt, die Nordeuropa in den kommenden Jahrzehnten wahrscheinlich erwarten wird. Eine erfolgreiche Extraktion von Proteinen aus den Samen würde den Anwendungsrahmen dieser vielversprechenden Nutzpflanze in der Humanernährung ausweiten.
Ein anderer Teil von Utes Forschung beschäftigt sich damit, wie verschiedene Verarbeitungsmethoden die Proteingewinnung aus Sonnenblumenkern-Presskuchen beeinflussen. Presskuchen ist ein Nebenprodukt der Herstellung von Speiseöl. Zurzeit wird er oft an Tiere verfüttert, zukünftig könnte er aber in aufbereiteter Form ein Bestandteil für pflanzliches Fleisch sein.
„Die uns zur Verfügung stehenden landwirtschaftlichen Flächen werden aufgrund des Klimawandels in Zukunft abnehmen“, sagt sie. „Wir müssen sehr sorgfältig darauf achten, wie wir jeden Hektar nutzen – wir sollten Verfahren entwickeln, bei denen keine Nebenprodukte übrig bleiben und so viel wie möglich von den Rohstoffen für den menschlichen Verzehr genutzt wird.”
Ein besseres Verständnis dafür, wie sich pflanzliche Inhaltsstoffe auf Endprodukte auswirken, werde auch der Lebensmittelindustrie zugutekommen. Ute hofft, dass die Ergebnisse einer Studie, die sie kürzlich im Rahmen des öffentlich finanzierten Projekts NewFoodSystems geleitet hat, zur Lösung dieses Problems beitragen werden.
Die Forschenden untersuchten die Eigenschaften von Dutzenden pflanzlichen Inhaltsstoffen und haben erste Daten veröffentlicht. Sie wollen aber noch weiter gehen und eine frei zugängliche Datenbank mit detaillierten Informationen veröffentlichen, die als Ressource für Start-ups dienen soll, um neue Produkte zu entwickeln.
Das Forschungsteam hat bereits erste Daten veröffentlicht, will aber noch weiter gehen und eine frei zugängliche Datenbank mit detaillierten Informationen veröffentlichen. Diese Datenbank soll als Ressource für Start-ups dienen, die neue Produkte entwickeln.
Die Frage der hochverarbeiteten Lebensmittel gemeinsam angehen
Da Verbraucher zunehmend besorgt über vermeintliche Probleme mit hochverarbeiteten Lebensmitteln sind, glaubt Ute, dass Wissenschaftler:innen eine wichtige Rolle in der öffentlichen Debatte spielen können. Sie sollten Studien durchführen, die zeigen, wie neue Techniken und Verfahren die Lebensmittelqualität verbessern können – etwa durch sicherere Lebensmittel, längere Haltbarkeit und einen höheren Nährwert.
Forschende können zudem dabei helfen, ein besseres System zur Klassifizierung von Lebensmitteln zu entwickeln. Dieses könnte das Nova-System ersetzen, das eingeführt wurde, um den Verarbeitungsgrad von Lebensmitteln zu messen. Das Nova-System wird jedoch kritisiert, weil es unterschiedliche Lebensmittelgruppen auf dieselbe Weise behandelt.
Mit Blick auf die Zukunft sagt Ute, dass in Deutschland mehr groß angelegte Projekte wie z.B. NewFoodSystems notwendig seien, die eine Zusammenarbeit zwischen Forschenden und der Industrie ermöglichen. In NewFoodSystems wurden alternative Proteine als eines der Felder betrachtet, in dem eine intelligente Bioökonomie das Lebensmittelsystem transformieren könnte.
Nicht zuletzt freut sich Ute darüber, dass viele Studierenden, mit denen sie spricht, von Themen wie pflanzenbasiertem Fleisch und Fermentation fasziniert sind. Diese Faszination steht in starkem Gegensatz zu den sinkenden Anmeldezahlen für Studiengänge der Lebensmitteltechnologie. Sie ist gespannt, ob der Fokus auf alternative Proteine die gesamte Disziplin wiederbeleben könnte.
Und sie hat folgenden Rat für junge Forschende: „Bleibt neugierig, motiviert und engagiert, und arbeitet zusammen. Es ist wichtig, ein großes Netzwerk aufzubauen und Interesse an interdisziplinären Ansätzen zu zeigen.“
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