Forscher nutzen Fermentation, um Lebensmittel aus Lebensmittelabfällen zu entwickeln

08. Februar 2023

In einem neuen Projekt werden Maisschalen zu Fetten und Ölen für pflanzenbasiertes und kultiviertes Fleisch verarbeitet.

Farmer removing the husk from an ear of corn, which can be used in brewing sustainable lipids through fermentation

Ein Team von Forscherinnen und Forschern aus Luxemburg verwendet eine aus der Antike stammende Technologie, um nicht genutzte Stoffe in der Landwirtschaftlich in Fette umzuwandeln, die für nachhaltige Lebensmittel verwendet werden können. Mit dem Verfahren lassen sich Methanemissionen reduzieren, die Ernährungssicherheit verbessern und essenzielle Inhaltsstoffe nachhaltiger herstellen.

Dorian Leger und Milena Ivanisevic von dem luxemburgischen Biotechnologie-Unternehmen Connectomix Bio koordinieren ein internationales Forschungsteam. Sie wollen Startups, der Industrie und der Politik dabei helfen, das Potenzial der Umwandlung von Abfällen in Lebensmittel zu erschließen. Dabei wollen sie bestehende Infrastruktur nutzen, die eigentlich für die Herstellung von Kraftstoffen aus Nahrungspflanzen verwendet wird.

Das Forschungsteam setzt auf einen zweistufigen Prozess: Zunächst wandeln sie nicht genutzte Pflanzenteile – wie zum Beispiel Maisschalen – in ein Gas um. In einem zweiten Schritt verwenden sie dieses Gas in einem Fermentationsprozess, um damit Lipide zu produzieren. Die entstehenden Fettsäuren können dann pflanzenbasiertem und aus Zellen kultiviertem Fleisch zugesetzt werden, um die komplexen Aromen von herkömmlichem Fleisch nachzubilden. 

Dorian Leger, Geschäftsführer von Connectomix Bio
Dorian Leger, Geschäftsführer von Connectomix Bio

Dorian Leger, Geschäftsführer von Connectomix Bio: „Wir bauen auf einer Technologie auf, die es seit Jahrtausenden gibt – dem Brauen. Der Unterschied besteht darin, dass wir mit unserem Prozess nicht Bier brauen sondern Lipide. Dabei benötigten wir keine Pflanzen, die speziell für diesen Prozess angebaut werden.“

Milena Ivanisevic, wissenschaftliche Projektleiterin bei Connectomix Bio
Milena Ivanisevic, wissenschaftliche Projektleiterin bei Connectomix Bio

Milena Ivanisevic, wissenschaftliche Projektleiterin bei Connectomix Bio: „Unser Prozess kann entscheidende Vorteile für die Ökobilanz haben. Wenn Sie landwirtschaftliche Abfälle auf dem Feld liegen lassen, entstehen Methanemissionen, die schädlicher auf das Klima wirken als CO2. Wir arbeiten daran, dieses Gas einzufangen und für die Herstellung von Lebensmitteln zu nutzen.“

Das internationale Team entwickelt ein Reihe von Ölen, die pflanzenbasierten Alternativen zu Hühner-, Schweine- oder Rindfleisch Geschmack verleihen. Dabei wird das Forschungsteam mit verschiedenen Abfallprodukten und unterschiedlichen Verfahren experimentieren, um herauszufinden, welches dieser Verfahren am wirtschaftlichsten ist.

Die Studie wird auch das Potenzial untersuchen, Biogas vor der Fermentation in Wasserstoff oder Methanol umzuwandeln. Denn es gibt große Unterschiede zwischen Flüssig- und Gasfermentation. Das Projekt wird die Vor- und Nachteile verschiedener Ansätze daraufhin untersuchen, wo Investitionen und Forschung am vorteilhaftesten sind.

Wie diese Technologie zur Erzeugung von Fetten aus Abfall verwendet werden kann, soll dann in dem ersten öffentlich verfügbaren Techno-economic Assessment (TEA) aufbereitet und mit der Lebensmittelindustrie geteilt werden.

Das in Luxemburg ansässige Team kooperiert mit Universitäten und Forschungszentren aus den USA, Kanada, Großbritannien, Dänemark, Italien und Israel sowie mit dem deutschen Industrieunternehmen VNG AG. Die in Leipzig ansässige Unternehmensgruppe ist europaweit im Bereich Gas und Gasinfrastruktur tätig.

Das auf ein Jahr angelegte Projekt wird von der Nichtregierungsorganisation The Good Food Institute im Rahmen seines Research Grant Programms 2022 gefördert. Mit dem Programm werden 21 Projekte aus der ganzen Welt gefördert, um innovative Open-Access-Forschung im Bereich alternativer Proteinquellen voranzubringen.

Gerd Wölbling, Senior Origination Manager bei VNG: „Diese Technologie ermöglicht es Landwirten, weiter das zu tun, was sie seit Jahrhunderten gut können, aber auf eine Weise, die mehr Effizienz verspricht und viele neue Möglichkeiten bietet.“

Milena Ivanisevic: „Wir glauben, dass unsere Forschung neue Unternehmen motivieren wird, in diesen Bereich einzusteigen, insbesondere Biogasproduzenten – eine Branche, die sich historisch nicht mit nachhaltiger Lebensmittelproduktion beschäftigt.“

Seren Kell, Science and Technology Manager beim Good Food Institute Europe: „Was die Möglichkeiten von Fermentation betrifft, kratzen wir aktuell nur an der Oberfläche. Um das Potenzial dieser Technologie für den Klimaschutz und die Ernährungssicherheit zu heben, sollte die Politik deutlich mehr öffentliche Förderung für die Open-Access-Forschung in diesem Bereich bereitstellen.“