Meet the researcher: Das “Huhn des Waldes” auf den Teller bringen – die unentdeckten Potentiale eines beliebten Pilzes mit Dr. Christoph Schwarz 

Ein häufig gegessener Pilz steht im Mittelpunkt eines Projekts zur Entwicklung einer nachhaltigen und innovativen neuen Lebensmittelzutat.

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Dr Christoph Schwarz

Name: Christoph Schwarz

Funktion: Leiter Forschung & Entwicklung

Organisation: S2B GmbH & Co. KG, Germany

Spezialisierung im Bereich alternative Proteine: Biomassefermentation

Ein häufig gegessener Pilz steht im Mittelpunkt eines Projekts zur Entwicklung einer nachhaltigen und innovativen neuen Lebensmittelzutat.

Dr. Christoph Schwarz leitet ein Team des deutschen Forschungsunternehmens S2B, das das Potenzial des Schwefelporlings erforscht. Diese Speisepilze werden im englischen Sprachraum auch “Hühner des Waldes” (chicken of the woods) genannt, weil sie einen ähnlichen Geschmack und eine ähnliche Konsistenz wie herkömmliches Hühnerfleisch haben.

Anstelle der „Fruchtkörper“ dieses Pilzes analysieren die Forschenden jedoch das unerforschte Potenzial der schnell wachsenden Wurzelstruktur des Pilzes, des Myzels.

Im Rahmen eines vom Good Food Institute finanzierten Projekts verwenden sie ein Verfahren, das als Biomassefermentation bekannt ist – ein ähnliches Herstellungsverfahren wie bei Bier oder Joghurt – um dieses Myzel zu züchten und es als Quelle für nachhaltige Lebensmittel zu verwenden.

Man geht zwar davon aus, dass es bis zu drei Millionen Pilzarten gibt, allerdings sind nur ein Bruchteil davon für den menschlichen Verzehr zugelassen. Indem das Team mit einem Stamm arbeitet, von dem bereits bekannt ist, dass er sicher und schmackhaft ist, verfolgt es einen ähnlichen Ansatz wie dänische Forschende, die mit den Köchen eines Michelin-Sternerestaurants zusammengearbeitet haben, um ein fermentiertes Produkt auf der Basis des Austernpilzes zu entwickeln.

Ein vielversprechender Kandidat für Lebensmittelinnovationen 

Christoph nennt mehrere Faktoren, die den Schwefelporling zu einer vielversprechenden Lebensmittelzutat machen. 

Der Pilz sein nicht nur für seinen Geschmack bekannt, sondern produziere auch große Mengen an karminroten Farbstoffen, die ihn zu einer attraktiven Zutat in verschiedenen Lebensmitteln machen könnten. Gleichzeitig deuten Studien darauf hin, dass er auch gesundheitliche Vorteile haben könnte.

„Diese Kombination ist sehr interessant“, sagt Christoph. „Wir konzentrieren uns nicht nur auf das Protein allein, sondern auf die gesamte Pilzbiomasse als Zutat für die Lebensmittelindustrie.”

Um das Potenzial dieses Stammes und seine Eigenschaften besser zu verstehen, sequenziert das Team das Genom des Pilzes. Außerdem ist eine gründliche Analyse von Aromaprofilen, der Textur und anderer sensorischer Eigenschaften geplant.

Christoph plant, ein Produkt mit einer fleischähnlichen Textur zu entwickeln, und baut daher Kontakte zur deutschen Lebensmittelindustrie auf. Diese sind seiner Meinung nach entscheidend, um eine Grundlage für die Skalierung zu schaffen, die für ein solches Projekt erforderlich ist.

„Als Wissenschaftler:in denkt man, dass man eine gute Idee hat, aber sie ist noch sehr weit von dem entfernt, was die Industrie braucht“, sagte er. „Man muss diese Kontakte frühzeitig herstellen, um zu erkennen, was die Lebensmittelindustrie braucht.”

„Wir sehen auf jeden Fall eine große Chance, denn das Interesse an diesem Thema ist so groß, dass wir denken, dass es einfach sein sollte, Partner:innen zum Mitmachen zu bewegen.“

Nebenprodukte aus der Lebensmittelindustrie nutzen

Das Team erforscht auch Möglichkeiten, Nebenprodukte aus der Lebensmittelindustrie als Nährboden zu nutzen, auf dem der Pilz wachsen kann – ausgehend von der Annahme, dass der Pilz eine breite Palette von Materialien als Substrat nutzen kann, da er in der Natur auf Bäumen oder totem Holz wächst.

Mit Unterstützung eines Zulieferers der Tierfutterindustrie und einer kleinen Brauerei in Bremen hat Christoph erfolgreich Hydrolysate aus Biertreber, einem Nebenprodukt der Brauindustrie, als Substrat eingesetzt. Das Team ist jedoch noch zuversichtlicher bezüglich der Verwendung von Kartoffelschalen als Nahrungsquelle für den Pilz, welche voraussichtlich niedrigere Kosten für Vorbehandlungsprozesse versprechen.

Ein Schlüsselelement der Forschung ist die Submersfermentation, bei der Mikroorganismen in einem flüssigen Medium gezüchtet werden, das alle für ihr Wachstum und ihren Stoffwechsel erforderlichen Nährstoffe enthält. Gemeinsam mit der Hochschule München erforscht das Team dieses Verfahren, das ein kontrolliertes Wachstum von Pilzen ermöglicht und sich durch seine Skalierbarkeit und Beständigkeit auszeichnet.

Darüber hinaus hat das Forschungsteam herausgefunden, dass eine Veränderung des pH-Werts im Fermenter die Wachstumsraten des Pilzes erheblich beeinflussen kann.

Mikrobiologische Expertise 

Christoph bringt eine lange Erfahrung im Bereich der Mikrobiologie in das Projekt ein. Nach seinem Studium an der Universität Innsbruck promovierte er am Max-Planck-Institut für Biochemie und untersuchte, wie Mikroben, die für die auffällige rote und violette Färbung von Salzseen verantwortlich sind, sich vor giftigen Substanzen wie Arsen schützen können.

Nach einem Aufenthalt in den USA, wo er sich an der Arizona State University mit Cyanobakterien beschäftigte, kehrte Christoph nach Deutschland zurück und arbeitete an der Technischen Universität Darmstadt. Dort lernte er den Geschäftsführer von S2B, Rudolf Cordes, kennen, der ihn überzeugte, in das kleine Forschungs- und Entwicklungsunternehmen einzusteigen.

Das Forschungsprojekt zum Schwefelporling wird durch das GFI Research Grant Program finanziert, das derzeit neue Bewerbungen annimmt und komplett spendenfinanziert ist. Das Programm zielt darauf ab, Forschungsengpässe zu beseitigen und open-access Forschung zu fördern, die zur Umsetzung eines sichereren, nachhaltigeren und gerechteren Lebensmittelsystems beiträgt.

Obwohl weder Christoph noch S2B vorher Erfahrung mit alternativen Proteinen hatten, kam die Anregung zur Erforschung von Pilzen von Geschäftsführer Rudolf, der von der Pilzzucht fasziniert war und mehr verstehen wollte.

Das GFI Research Grant Program habe ihnen die Möglichkeit gegeben, in dieses neue Gebiet einzusteigen, sagt Christoph. Das Team bewirbt sich nun um weitere Fördermittel, um seine Forschung fortzusetzen.

„Die Pilzbiotechnologie hat großes Potenzial“, sagte er und fügte hinzu, dass zwar viel akademische Arbeit auf diesem Gebiet stattfinde, es aber an Pilotanlagen fehle, die eine Vergrößerung ermöglichen würden.

Der Erfolg werde jedoch von einer kontinuierlichen Zusammenarbeit sowohl innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft als auch mit Partner:innen aus der Industrie abhängen, um sicherzustellen, dass diese Innovationen den praktischen Bedürfnissen des Marktes entsprechen.

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