Meet the Researcher:
Erkenntnisse aus der Biomedizin zur Weiterentwicklung von kultiviertem Fleisch nutzen mit Petra Kluger

Als Wissenschaftlerin, die sich nach einer erfolgreichen Karriere im Tissue-Engineering kultiviertem Fleisch widmet, ist für Dr. Petra Kluger klar, dass eine engere Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen für den Fortschritt im Bereich kultiviertes Fleisch unerlässlich ist.

22. August 2024

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Dr Petra Kluger, Professorin für Tissue Engineering und Biofabrikation
Dr Petra Kluger, Professorin für Tissue Engineering und Biofabrikation

Name: Dr. Petra Kluger 

Funktion: Professorin für Tissue Engineering und Biofabrikation

Organisation: Hochschule Reutlingen

Spezialisierung im Bereich alternative Proteine: Kultiviertes Fleisch

Dr. Petra Kluger leitet ein Team an der Hochschule Reutlingen in Baden-Württemberg, wo sie Ansätze aus der Biomedizin nutzt, um technologische Engpässe zu beseitigen, damit kultiviertes Fleisch die Marktreife erreicht.

Ihr Team hat einen Ansatz entwickelt, bei dem ‚Vorläufer‘-Muskel- und Fettzellen dazu angeregt werden, sich während ihres Wachstums zusammenzuschließen. Dadurch können sie Aggregate – sogenannte ‚Sphäroide‘ – aus Zehntausenden von Zellen bilden, die dann zu Muskel- und Fettzellen ausreifen, die identisch sind mit jenen in Fleisch aus der Tierhaltung.

Sie wenden auch Erkenntnisse aus dem aufstrebenden Gebiet der Biofabrikation an, die in der regenerativen Medizin häufiger verwendet wird, um die Masse der tierischen Zellen zu vergrößern, ein Prozess, der es den Herstellern ermöglichen könnte, die Produktion zu steigern. Das Team hat in der Zeitschrift Advanced Healthcare Materials einen Überblick über das Potenzial dieser Technologie veröffentlicht. Sie hoffen, bald weitere Forschungsarbeiten publizieren zu können.

Außerdem arbeitet das Team an der Entwicklung nachhaltiger Zellkulturmedien – der nährstoffreichen Flüssigkeit, in der die Zellen wachsen – die erschwinglich sind und ohne tierisches Serum auskommen. Dazu nutzen sie landwirtschaftliche Nebenströme und planen zeitnah, auch von Algen produzierte Komponenten einzubeziehen.

Neben der Arbeit mit der Universität Hohenheim zu ernährungsphysiologischen Aspekten von kultiviertem Fleisch sind sie gemeinsam mit der Universität Vechta und dem Unternehmen Bluu, das kultivierten Fisch herstellt, an einem öffentlich finanzierten Projekt zur Kultivierung von Fisch-Fettzellen beteiligt.

Zudem arbeitet das Team auch eng mit Partnern aus der Industrie zusammen und analysiert u. a. einen neuartigen Fermenter, der entwickelt wird, um die Produktion von kultiviertem Fleisch zu steigern.

Vernetzung für schnelleren Fortschritt

Doch trotz der Erfolge ihres Teams ist Petra Kluger besorgt, dass ein Großteil des Wissens über kultiviertes Fleisch immer noch in den Händen privater Unternehmen liegt. Mehr öffentlich zugängliche Forschung und Zusammenarbeit seien notwendig.

Sie ist der Ansicht, dass das akademische Forschungsnetzwerk in Deutschland besonders schlecht entwickelt ist – ein Problem, das aber gelöst werden könnte durch die Einrichtung von Exzellenzzentren, in denen Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen Ideen austauschen können.

„Um Fortschritt zu beschleunigen, muss man sich vernetzen“, führt sie aus. „Kultiviertes Fleisch sollte auch auf der Agenda der Politik stehen – wir brauchen sie, um über die Bedeutung der Forschung zu sprechen.“

Das Potenzial schnell erkannt

Petra Kluger hat sich dem Forschungsbereich kultiviertes Fleisch zugewandt, nachdem sie jahrelang menschliches und tierisches Gewebe erforscht hat, um Alternativen zu Tierversuchen zu finden. Sie ist der Ansicht, dass der Sektor schneller Fortschritte machen könnte, wenn mehr Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler solche Schritte unternehmen würden. Bisher gibt es dafür aber wenig Anzeichen.

Nach dem Studium der Technischen Biologie an der Universität Stuttgart arbeitete sie am Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik, bevor sie 2013 nach Reutlingen kam. 2013 war auch das Jahr, in dem Dr. Mark Post den weltweit ersten kultivierten Burger präsentierte.

Sie erkannte schnell das Potenzial und führte für ihre Studierenden eine Unterrichtseinheit über kultiviertes Fleisch ein. Sie beantragte sogar Förderung für die Herstellung eines Steaks mit Hilfe von Tissue Engineering – der Antrag wurde jedoch abgelehnt, mit der Begründung, dies sei bereits verwirklicht worden.

Nachdem sie 2018 eingeladen wurde, auf einer Konferenz über kultiviertes Fleisch zu sprechen, wurde ihr bewusst, dass sie einen echten Beitrag zu diesem Sektor leisten konnte und begann kurz darauf mit dem Aufbau des Teams, das im darauffolgenden Jahr die erste von New Harvest finanzierte Doktorandenstelle erhielt.

Die Welt der Biomedizin und der Lebensmittel miteinander verbinden

„Wir müssen beide Bereiche zusammenführen, um das vorhandene Wissen über Biomedizin optimal für die Lösung von Problemen bei der Produktion von kultiviertem Fleisch zu nutzen“, erläutert sie. „Wenn man eine neue Leber im Bereich des Organ-Printing produzieren will, ist die erforderliche Zellmenge eine große Herausforderung, genauso wie bei der Produktion von kultiviertem Fleisch.“

„Wir können viel voneinander lernen, aber ohne Austausch zwischen beiden Communities werden wir nur sehr langsam vorankommen.“

Was sie aber optimistisch stimmt, ist die wachsende Zahl Studierender aus ganz Europa, die sich für die Arbeit in ihrem Labor interessieren.

„Sie sind an dem Thema interessiert“, betont sie. „Und neugierig zu sein, ist immer das Wichtigste. Für unsere Arbeit brauchen wir Menschen, die über den Tellerrand hinausschauen und fachübergreifend arbeiten können.“

„Ich hoffe, dass ich die Chance bekomme, mehr Zusammenarbeit und Austausch zu ermöglichen – das ist etwas, wo wir besser werden müssen.“

Sind Sie daran interessiert, sich im Bereich der nachhaltigen Proteine zu engagieren? Werfen Sie einen Blick auf unsere Informationen für Forschende und Studierende:  

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