Wissenschaftler arbeiten mit Sterne-Restaurant daran, alternatives Seafood zu entwickeln

20 Juni 2022

Ein Team von Wissenschaftler:innen hat Fördermittel erhalten, um gemeinsam mit einem renommierten Restaurant in Dänemark ein alternatives Seafood-Produkt zu entwickeln. Dafür werden keine Meerestiere gefangen oder gezüchtet, sondern Proteine durch Fermentation hergestellt.

Team von The Alchimist, die alternatives Seafood probieren
Das Team von The Alchemist. Foto: Søren Gammelmark

Ein Team von Wissenschaftler:innen hat Fördermittel erhalten, um gemeinsam mit einem renommierten Restaurant in Dänemark alternatives Seafood zu entwickeln. Dafür werden keine Meerestiere gefangen oder gezüchtet, sondern Proteine durch Fermentation hergestellt.

Im Rahmen eines vom Good Food Institute (GFI) finanzierten Projekts wird Dr. Leonie Jahn von der Technischen Universität Dänemark mit Diego Prado vom Restaurant Alchemist in Kopenhagen zusammenarbeiten, das mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichnet wurde. In dem Projekt wird eine innovative Form der Fermentation genutzt, um damit nachhaltige Lebensmittel herzustellen. Wenn es auf diese Weise gelingt, die Textur und den Geschmack von Seafood authentisch nachzubilden, erwägt der Chefkoch Rasmus Munk, das Produkt auf die Speisekarte des renommierten dänischen Restaurants zu setzen, und zu einem späteren Zeitpunkt könnte es auch in größerem Umfang verkauft werden.

Das Team von Dr. Jahn untersucht, wie Fadenpilze – Mikroorganismen, die im Boden und in anderen Umgebungen vorkommen – zur Herstellung einer Reihe von nachhaltigen Lebensmitteln genutzt werden können. Ziel ist es herauszufinden, wie die Textur der Pilze unter verschiedenen Bedingungen verändert werden kann, so dass damit tierfreie Produkte produziert werden können. Zum einen lassen sich mit der neuen Methode Endprodukte herstellen, die wie Fleisch oder Fisch aussehen und schmecken. Zum anderen lassen sich mit der Textur auch strukturierten Produkten aus der Kultivierung von Zellen ihre Struktur verleihen. 

Dr. Leonie Jahn mit Diego Prado

Ein Ziel der Kooperation ist es, ein “Wholecut”-Produkt herstellen, das die Textur von Fisch nachbildet, indem die Pilze zur Fermentierung von Seetang verwendet werden – ein Prozess, der der Herstellung von Tempeh aus Sojabohnen ähnelt. Dabei werden die Forscher:innen mit dem Team des Alchemist zusammenarbeiten, um den Geschmack nachzubilden. 

Dr. Leonie Johanna Jahn vom Novo Nordisk Foundation Center for Biosustainability an der Technischen Universität von Dänemark sagte: „Das Potenzial ist gewaltig. Bislang gibt es nicht viele Alternativen zu Fisch und Meeresfrüchten, aber die Nachfrage ist groß. Dabei handelt es sich um einen Bereich, der bislang kaum erforscht ist.”

Deigo Prado vom Restaurant Alchemist in Kopenhagen sagte: „Unser Hauptziel bei diesem Projekt ist es, ein einzigartiges und köstliches Produkt zu schaffen, das gut genug ist, um in einem gehobenen Restaurant serviert zu werden. Dabei wollen wir natürliche Zutaten verwenden, wobei die Algen die Aromen des Meeres liefern und das Myzel für eine attraktive Textur sorgt.“

Europa importiert bereits dreimal mehr Fisch und Meeresfrüchte als es produziert. Die weltweite Nachfrage wird in den nächsten zehn Jahren voraussichtlich um 5 Prozent steigen. Nahezu die Hälfte der marinen Lebensräume in der EU wurde bereits als gefährdet eingestuft, hauptsächlich aufgrund von Verschmutzung, Fischerei und Aquakultur. Fermentierung kann dazu beitragen, die wachsende Nachfrage nach Seafood zu bedienen, ohne die Meere weiter zu schädigen.

Fadenpilze werden seit Jahrhunderten zur Herstellung von Käse, Penicillin und sogar Baumaterialien verwendet. Obwohl Unternehmen sie bereits zur Herstellung von tierfreiem Fleisch einsetzen, hat sich die Forschung bislang auf ihren Nährwert konzentriert und nicht darauf, wie ihre Eigenschaften für die Herstellung von Lebensmitteln verwendet werden können. Dr. Jahn war eine von 21 Wissenschaftler:innen aus vier Kontinenten, die sich erfolgreich für das 2021 Research Grant-Programm von GFI beworben haben. Das Programm finanziert innovative Open-Access-Forschungsarbeiten zur Entwicklung von alternativen Proteinquellen. 

Da die öffentliche Hand nur wenig Mittel für die Forschung und Entwicklung von alternativen Proteinen bereitstellt, hat GFI das Programm mit Hilfe von Spender:innen ins Leben gerufen, um diese Finanzierungslücke zu schließen. Da die Forschungsergebnisse öffentlich zugänglich sind, können sie von Wissenschaftler:innen und Unternehmen auf der ganzen Welt genutzt werden, um Innovationen bei alternativen Proteinen voranzutreiben. 

Seren Kell, die beim Good Food Institute Europe den Bereich Forschung und Technologie leitet, sagte: “Das Projekt erforscht, wie Pilze auf innovative Weise eingesetzt werden können, um den unverwechselbaren Geschmack und die Textur von Fleisch und Fisch zu erzeugen – sei es zur Herstellung von Endprodukten auf Basis von Fermentation oder zur Herstellung von strukturierten Produkten aus der Zellkultivierung. Wir brauchen dringend Innovationen in diesem Bereich – sowohl Unternehmen als auch die Politik sollten stärker in Fortschritte bei pflanzenbasierten und kultivierten Meeresfrüchten investieren.”