Abgeordnete von SPD und Grünen fordern Ende des Steuernachteils für pflanzliche Milch
30. August 2023
In Deutschland erhebt der Staat 19 % Mehrwertsteuer auf pflanzliche Milch, während er Kuhmilch nur mit 7 % besteuert. Aus den Reihen von SPD und Grünen kommt eine neue Initiative, diese Wettbewerbsverzerrung zu beenden und den Steuersatz für Pflanzenmilch abzusenken.

Gegenwärtig benachteiligt Deutschland pflanzliche Milch gegenüber Kuhmilch durch die Ausgestaltung der Mehrwertsteuer: Während der Fiskus auf Kuhmilch den reduzierten Steuersatz von 7 % erhebt, wird auf pflanzliche Milch der volle Satz von 19 % erhoben. Dies verzerrt den Wettbewerb und schränkt die Wahlfreiheit von Verbraucherinnen und Verbrauchern ein. Kaum ein anderes EU-Land benachteiligt Pflanzenmilch bei der Ausgestaltung der Mehrwertsteuer so stark. In 17 von 27 EU-Ländern gibt es überhaupt keine Benachteiligung von pflanzenbasierten Milchprodukten bei der Mehrwertsteuer.
Abgeordnete aus den Reihen von SPD und Bündnis90/Die Grünen fordern nun, diese Benachteiligung von pflanzlicher Milch gegenüber Kuhmilch zu beenden und den ermäßigten Steuersatz auf pflanzliche Milch anzuwenden. GFI Europe begrüßt diese Initiative ausdrücklich, denn eine Angleichung wäre ein wesentlicher Meilenstein bei der Schaffung von fairen Wettbewerbsbedingungen im Lebensmittelhandel und ein großer Schritt bei der Umsetzung des Vorhabens aus dem Koalitionsvertrag, pflanzliche Alternativen zu stärken.
In Deutschland sind die Umsätze mit Pflanzenmilch 2022 um 13 Prozent auf 552 Millionen Euro gestiegen, seit 2020 ist der Markt um insgesamt 43 Prozent gewachsen. Doch trotz dieses Wachstums liegt der Anteil der pflanzlichen Optionen in Deutschland gerade einmal bei 13 Prozent des Gesamtmarktes für Milch. Dabei zeigt die Marktforschung, dass es vor allem der höhere Preis für Pflanzenmilch ist, der viele Menschen bislang noch davon abhält, gelegentlich oder dauerhaft zu pflanzlichen Alternativen zu greifen.
Es gibt gute Gründe für die Angleichung der Steuersätze:
- Pflanzliche Milch ist kein Lifestyle-Produkt, sondern ein Grundnahrungsmittel:
Die Zusammensetzung variiert nach pflanzlicher Rohstoffbasis und Hersteller, aber im Grundsatz enthalten auch pflanzliche Milchalternativen Calcium, Vitamin D, Vitamin B12 und Proteine etc. Genau wie Kuhmilch wird pflanzliche Milch nicht nur getrunken, sondern auch bei der Zubereitung von zahlreichen Speisen verwendet, wie etwa für Kartoffelpüree und cremige Saucen. Da sie die gleiche Rolle in der Ernährung einnehmen wie Kuhmilch, sollten Menschen für die Verwendung pflanzlicher Alternativen nicht länger benachteiligt werden.
- Pflanzliche Milch ist eine gute Alternative für Menschen mit Unverträglichkeiten und Allergien:
In Deutschland haben zwischen 15 und 20 Prozent der Menschen eine Unverträglichkeit gegenüber Milchzucker. Hinzu kommen noch bis zu 3 Prozent der Erwachsenen und bis zu 7 Prozent der Kinder, die eine Allergie gegen Milcheiweiß haben. Diese Menschen werden durch die gegenwärtige Regelung benachteiligt und zahlen einen fiskalisch bedingten Aufpreis, wenn sie zu Pflanzenmilch greifen. - Pflanzliche Milch hat eine deutlich bessere Klima- und Umweltbilanz:
Laut einer Studie der Universität Oxford werden für die Herstellung von einem Glas Kuhmilch mehr als dreimal so viele Treibhausgasemissionen emittiert wie für ein Glas Soja- oder Hafermilch. Was den Flächenbedarf betrifft, verbrauchen alle Sorten von Pflanzenmilch nur einen minimalen Bruchteil dessen, was es für die Herstellung von Kuhmilch braucht, und auch im Hinblick auf den Wasserverbrauch sind sämtliche Sorten von Pflanzenmilch ressourcenschonender als Kuhmilch.
- Eine Angleichung der Steuersätze würde klimaschädliche Subvention abbauen:
Eine Absenkung des Steuersatzes für pflanzliche Alternativen wäre die überfällige Nivellierung eines wettbewerbsverzerrenden Steuervorteils für Produkte tierischer Herkunft. Wie groß die Wettbewerbsnachteile für pflanzliche Optionen insgesamt sind, hat zuletzt eine Studie der Universität Stanford herausgearbeitet: Demnach werden Hersteller von Lebensmitteln tierischer Herkunft in Europa rund 1.200-mal stärker subventioniert als Hersteller von pflanzenbasierten Lebensmitteln.
Diese und andere Gründe für die Beendigung des Steuernachteils hat GFI Europe in einem Faktenpapier zum Thema Mehrwertsteuer aufbereitet.
Ivo Rzegotta, Senior Public Affairs Manager beim Good Food Institute Europe:
„Der Vorstoß aus der Regierungskoalition ist ein richtiger und überfälliger Schritt. Die Benachteiligung von pflanzlichen Milchalternativen bei der deutschen Mehrwertsteuer steht in eklatantem Widerspruch zu den deutschen Nachhaltigkeitszielen und sollte daher schnellstmöglich korrigiert werde. Fast kein anderes EU-Land benachteiligt Pflanzenmilch so stark, und in den meisten EU-Ländern gibt es überhaupt keine Benachteiligung von pflanzenbasierten Milchprodukten bei der Mehrwertsteuer. Damit künftig noch mehr Menschen zu nachhaltigen Optionen greifen, muss pflanzliche Milch preislich auf Augenhöhe mit Kuhmilch kommen. Die gegenwärtige Diskriminierung von pflanzlichen Produkten bei der Mehrwertsteuer verteuert einseitig die pflanzlichen Optionen und muss daher so schnell wie möglich beendet werden.”