Meet the researcher: Patrick Rühs erklärt, wie wir die Komplexität von Hülsenfrüchten nutzen können

Die Komplexität natürlicher Rohstoffe zu berücksichtigen kann dazu beitragen, nahrhaftere, schmackhaftere und erschwinglichere pflanzliche Produkte zu entwickeln und gleichzeitig die Bedenken von Konsumierenden hinsichtlich hochverarbeiteter Lebensmittel anzugehen.

Dr Patrick Rühs

Name: Patrick Rühs 

Funktion: Assistenzprofessor für Food Structure Engineering

Organisation: ETH Zürich

Spezialisierung im Bereich alternative Proteine: Pflanzenbasiert

Die Komplexität natürlicher Rohstoffe zu berücksichtigen kann dazu beitragen, nahrhaftere, schmackhaftere und erschwinglichere pflanzliche Produkte zu entwickeln und gleichzeitig die Bedenken von Konsumierenden hinsichtlich hochverarbeiteter Lebensmittel anzugehen.

Das ist die Botschaft des Schweizer Forschers Patrick Rühs, dessen Team an der ETH Zürich einen Artikel in Nature Food zu diesem Thema veröffentlicht hat. Darin wird eine neue Perspektive darauf erörtert, wie bei der Herstellung von Zutaten aus Hülsenfrüchten verstärkt komplexe Kombinationen aus Nährstoffen wie Proteinen, Ballaststoffen, Vitaminen und Mineralien nutzbar gemacht werden können.

Der wissenschaftliche Artikel zieht einfache Parallelen dazu, wie andere Lebensmittelarten durch die richtige Verarbeitung gesünder werden, zum Beispiel wenn bei der Herstellung von Brot und Pasta Vollkorn- statt raffiniertes Mehl verwendet wird. 

Patrick argumentiert, dass dieser Ansatz viele Vorteile gegenüber dem derzeitig gängigen System hat, das auf Zutaten mit hoher Reinheit für einen bestimmten Mikronährstoff abzielt. Dabei zerlegen Lebensmittelhersteller Rohstoffe oft in ihre Bestandteile, bevor sie diese wieder neu zusammensetzen, um Endprodukte zu entwickeln – was eine größere Anzahl von Produktionsschritten und Zutaten mit sich bringt.

Steigerung der Akzeptanz verarbeiteter Lebensmittel

„Die Nährstoffqualität ist der eine Vorteil”, sagte er. „Nur dadurch, dass die Herstellungsprozesse angepasst werden, bleiben mehr Ballaststoffe und Mikronährstoffe aus dem Rohmaterial im Endprodukt.”

„Aber die Endprodukte werden auch viel günstiger, wenn die Zutaten nicht mehr so stark raffiniert werden – Sobald das passiert, wird auch die Akzeptanz in der Verbraucherschaft steigen.” 

Ein Beispiel hierfür sei der Wechsel von hochreinen Proteinisolaten (mit einem Proteingehalt von über 90%) zu kostengünstigeren pflanzlichen Konzentraten (mit einem Proteingehalt von „nur” über 70%) mit mehr Ballaststoffen und intakten Mikronährstoffen. Dieser Ansatz wird bereits von mehreren europäischen Herstellern pflanzlicher Fleischalternativen verfolgt.

Eine Herausforderung dabei sei, dass die Eigenschaften weniger raffinierter Zutaten komplexer oder für bestimmte Funktionalitäten wie die Gelierung weniger geeignet sein können. Der nun veröffentlichte Artikel diskutiert jedoch exemplarisch verschiedene Ansätze zur Überwindung dieser Probleme, die in Zukunft weiter erforscht werden können.

Eine weiterer Ansatz sei, den Geschmack und die Textur pflanzlicher Lebensmittel durch traditionelle Fermentationstechniken zu verbessern – ähnlich denen, die seit Jahrhunderten zur Herstellung von Lebensmitteln wie Tempeh verwendet werden.

Fermentation habe den Vorteil, dass die beteiligten Mikroorganismen in der Lage seien, komplexe und sich ständig anpassende Rohstoffe zu verarbeiten. Dadurch werde die Lebensmittelproduktion widerstandsfähig gegenüber Schwankungen, die durch den Klimawandel erzeugt werden.

„Die Nutzpflanzen, die wir derzeit anbauen, werden sich in den nächsten Jahren aufgrund kürzerer Anbauzeiten und wärmerer Wetterbedingungen stark verändern”, sagte er.

„Wenn wir uns weiter an raffinierte Zutaten halten, können wir diese möglicherweise nicht auf die gleiche Weise verarbeiten, aber durch die Nutzung der komplexen Organismen, die Fermentation ermöglichen, können wir Herstellungsprozesse entwickeln, die viel widerstandsfähiger gegenüber saisonalen Veränderungen sind.”

Smarte Lebensmittelverarbeitung

Patrick glaubt, dass diese Ansätze zu einer „intelligenteren” Lebensmittelverarbeitung beitragen können, bei der mehr Verarbeitungsschritte am selben Ort durchgeführt werden können, was zu kürzeren Lieferketten führe.

„Wenn man Zitrusfasern aus Spanien und Hülsenfrüchte aus Kanada verwendet, hat man eine komplexe Lieferkette, die keinen Sinn ergibt”, sagte er. „Wenn man jedoch nur lokale Erbsen verwendet, kann man die gesamte Erbsenfaser zur Herstellung desselben Produkts verwenden.”

„Wir können viel bessere Lebensmittel herstellen, indem wir kluge Entscheidungen darüber treffen, woher wir unsere Rohstoffe beziehen – und indem wir mehr von den Komponenten verwenden, die in einer einzigen Pflanze enthalten sind.”

Der Fokus auf Hülsenfrüchte könne auch dazu beitragen, die Selbstversorgung der Schweiz zu verbessern – ein weiteres Thema, mit dem sich Forschende der ETH Zürich befasst haben. Patrick begrüßt Maßnahmen, die Schweizer Lebensmittelproduzenten dabei unterstützen, mehr dieser Nutzpflanzen anzubauen und zu verarbeiten, wie sie beispielsweise auch im Rahmen der Schweizer Ernährungsstrategie diskutiert werden.

Der Beitrag zur Diskussion um hochverarbeitete Produkte

Patrick glaubt, dass die Verwendung weniger raffinierter Zutaten auch dazu beitragen kann, Missverständnisse über hochverarbeitete Lebensmittel (Engl. ultra-processed foods oder UPF) auszuräumen, die einige Verbraucher:innen derzeit davon abhalten, pflanzliches Fleisch zu konsumieren, obwohl es immer mehr Belege für ernährungsphysiologische Vorteile gibt, insbesondere im Vergleich zu dem verarbeitetem Fleisch, das es in der Regel ersetzen soll.

Das Team plant die Veröffentlichung von Forschungsergebnissen zu den ernährungsphysiologischen Vorteilen von Verfahren wie Fermentation und Extrusion. Es arbeitet aber auch an einem weiteren Projekt zur Entwicklung von Techniken, mit denen Menschen zu Hause pflanzliche Fleischprodukte herstellen können.

„Die UPF-Debatte hat dazu geführt, dass die Menschen plötzlich denken, dass nichts verarbeitet werden sollte”, sagt er. „Mit dieser Arbeit können wir den Menschen helfen zu verstehen, was Verarbeitung ist und wie sie von Vorteil sein kann. Wenn man es selbst macht, merkt man, dass es sich dabei nur um einen weiteren Schritt beim Kochen handelt.”

Arbeiten für eine bessere Zukunft

Patrick studierte zunächst Lebensmittelwissenschaften an der ETH Zürich, bevor er sich mit der Entwicklung neuer Lebensmittelarten mit Hilfe von Mikroorganismen befasste. Nach einiger Zeit als wissenschaftlicher Leiter bei Planted Foods – einem Schweizer Start-up, das pflanzenbasiertes Fleisch herstellt – kehrte er an die ETH zurück, um seine Forschung fortzusetzen.

Heute, als Vater von zwei kleinen Kindern, motiviert ihn der Wunsch, zur Entwicklung eines nachhaltigeren Lebensmittelsystems beizutragen. Er sagt: „Ich investiere viel zusätzliche Energie in meine Arbeit – ich möchte etwas tun, um ihnen eine bessere Zukunft zu ermöglichen.”

Gleichzeitig sei er auch inspiriert von der wachsenden Leidenschaft für pflanzenbasierte Forschung, die er bei seinen Studierenden beobachte.

„Jeder in meinem Team hat sehr starke Ansichten und Überzeugungen”, sagt er. „Sie tun, was sie tun, weil sie glauben, damit einen Beitrag zu einem besseren Lebensmittelsystem leisten zu können.”

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